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Workshop „Werkstatttage: praktisch Horizonte erweitern“ : Datum: Ort: {0} Ort: Leipzig

Wie schafft man einen Lebensweltbezug? Welche Chancen sind mit heterogenen Lerngruppen verbunden? Und wie lassen sich die Ergebnisse nachhaltig für die Berufsorientierung nutzen? Diese Fragen standen im Fokus des zweiten BOP-Workshops 2015 in Leipzig

Zum Einstieg in den Workshop stellte der Vertreter des Evaluationsteams Christoph Eckhardt (qualiNetz Beratung und Forschung GmbH) erste Ergebnisse der Evaluation zum Schwerpunkt Werkstatttage vor. Die Evaluation beleuchtet fünf zentrale Fragen, von denen Eckhardt die folgende in den Fokus stellte:

„Fördert die Teilnahme am Berufsorientierungsprogramm die Berufswahlkompetenz der Schülerinnen und Schüler?“

Zur Berufswahlkompetenz zählen Bereitschaften und Fähigkeiten, sich zum Beispiel mit Berufswahlfragen auseinanderzusetzen, Interessen und Anforderungen zu erkunden und Schritte im Berufswahlprozess zu planen und umzusetzen.

In der Evaluation werden Schülerinnen und Schüler von acht zufällig ausgewählten Klassen von der Zeit vor der Potenzialanalyse an bis zum Ende der Schulzeit und ein halbes Jahr danach immer wieder jährlich nach der Entwicklung ihrer Berufswahlkompetenz interviewt. Begleitend hospitierte das Evaluationsteam bei den acht beteiligten Trägern, denn: Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler  zu Potenzialanalyse und Werkstatttagen müssen vor dem Hintergrund der herrschenden Rahmenbedingungen bei Trägern und Schulen betrachtet und analysiert werden.

Die Eindrücke aus diesen Hospitationen geben Aufschluss darüber, wie die Werkstatttage in der Praxis umgesetzt werden – und wo entsprechende Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung bestehen. Grundlage für die Beobachtungen und Bewertungen waren die Richtlinien zum Berufsorientierungsprogramm aus dem Jahr 2011 (PDF, 172KB, Datei ist nicht barrierefrei) (Kapitel 4.2 „Werkstatttage“). In seinem Vortrag konzentrierte sich Eckhardt auf die folgenden Kernpunkte:

  • realistische Einblicke in den Alltag der Ausbildung geben
  • Vielfalt der Berufsfelder vermitteln
  • Handlungskompetenz der Jugendlichen anregen; Aufgaben nicht zu kleinschrittig vorgeben
  • Lebensweltbezug herstellen, den „Nerv“ der Jugendlichen treffen
  • bei der Berufsfeld-Wahl darauf hinwirken, dass die Jugendlichen auch geschlechtsuntypische Felder erkunden
  • die Jugendlichen systematisch darin unterstützen, eine realistische Selbsteinschätzung zu entwickeln

Die Informationen sind detailliert im zweiten Zwischenbericht zur Evaluation nachzulesen. Die Powerpoint Präsentation zum Vortrag von Herrn Eckhardt steht Ihnen auf überaus (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zur Verfügung.

Erste Informationen zu dem neu erscheinenden Leitfaden Werkstatttage

 BOP-Mitarbeiterinnen den „Leitfaden Werkstatttage“ mit Hilfe einer PowerPoint Präsentation vor.
© BIBB/BOP

Im Anschluss an den Vortrag von Herrn Eckhardt stellten BOP-Mitarbeiterinnen Katrin Böhnke und Renate Lauterbach den „Leitfaden Werkstatttage“ vor, welcher Anfang 2016 erscheinen wird. Der Leitfaden soll als Arbeitshilfe für Praktiker im BOP dienen – also Projektleitende, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Lehrkräfte.

Die Inhalte wurden von über zehn BOP-Trägern selbst erarbeitet; zu diesem Zweck gab es 2014/2015 insgesamt vier Arbeitstreffen. Themen des Leitfadens werden unter anderem sein:

  • Basisinformationen: Was sollten die Werkstatttage beinhalten?
  • Transfer Potenzialanalyse – Werkstatttage
  • Lernumgebung/Räumlichkeiten
  • Zusammenarbeit mit Schulen
  • Wahl der Berufsfelder/Gruppeneinteilung
  • Ausgestaltung der Angebote
  • Umgang mit verschiedenen Lernniveaus
  • Gender
  • Voraussetzungen des Personals
  • Nachhaltigkeit: Dokumentationsinstrumente/Qualitätssicherung Träger
  • Zertifikate: Inhalte, Benotung
  • Rückmeldegespräche
  • Lebensweltbezug
  • Beobachtbare Kompetenzen
  • Livebetrieb/Betriebsbesuche

Zu der Thematik der Betriebsbesuche sowie des Livebetriebs wird es in der nächsten Zeit eine gesonderte und detaillierte Mitteilung geben.

Diskutieren im „World Café“

Fünf Fragestellungen zu fünf thematischen Schwerpunkten wurden in kleinen Gruppen nach der Methode des World Café diskutiert. Jede Gruppe diskutierte jeweils 15 Minuten lang an jedem Thementisch zu einer vorgegebenen Frage. Im Folgenden werden die genannten Thesen aufgeführt:

Thementisch 1: „Welche Kompetenzen benötigt das Ausbildungspersonal bei heterogenen Zielgruppen?“

Thementisch 1
© BIBB/BOP
  • „Gruppen sind immer heterogen.“
  • Schulungen für Ausbilder/innen vermitteln Besonderheiten für den Umgang mit heterogenen Gruppen und Förderschülern, z.B. hinsichtlich der Frage, welche Lernmöglichkeiten sie haben. Bei schwierigen Teilnehmenden in der Gruppe sollte auf Wunsch ein Coaching stattfinden können.
  • Bei der Zusammenstellung der Werkstattgruppen auf eine ausgewogene „Gruppenmischung“ achten; Cliquen aufbrechen!
  • Der ideale Ausbilder vereint sozialpädagogische Kompetenzen und Fachwissen in einer Person. Er muss Verständnis für die Bedürfnisse der Jugendlichen (z.B. Bewegungsdrang) haben und darauf eingehen (zum Beispiel mit Aktivierungsübungen). Dafür benötigt er Methodenvielfalt für den Umgang mit heterogenen Gruppen. In fachlicher Hinsicht sollte er einen Meistertitel oder eine gleichwertige Qualifikation haben.
  • Der ideale Ausbilder sollte eine ausgeglichene und selbstreflektierte Persönlichkeit sein und seine Aufgabe mit Empathie und Wertschätzung ausführen. Er ist in der Lage, Begeisterung für sein Berufsfeld zu vermitteln und die Jugendlichen so zu motivieren. Er ist humorvoll, flexibel und hat starke Nerven.
  • Die Motivation und Erfahrung der Ausbilder mit der Altersgruppe sollte bei deren Einstellung abgeklopft und danach weiter gefördert werden. „Ausbilder sein ist kein Beruf, sondern eine Berufung.“ Junge Ausbilder mit „Draht“ zu den Jugendlichen vs. Ausbilder mit langer Berufserfahrung oder sogar Rentner („väterliche/mütterliche Note“) – alles kann das Richtige sein, wenn die Chemie stimmt.
  • Eine Willkommenskultur für BOP-Teilnehmende hat einen hohen motivatorischen Effekt; dies gilt nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Lehrkräfte. Sind die Lehrkräfte interessiert daran, was in den Werkstätten geschieht, verstärkt dies auch die Motivation der Schülerinnen und Schüler. Es ist wichtig, dass die Lehrkräfte mit vor Ort sind. Sie sollten allerdings keine maßregelnde Funktion ausüben, damit sich die Schülerinnen und Schüler nicht wie in der Schule fühlen.

Thementisch 2: „Wie können die Werkstatttage mit heterogenen Zielgruppen gestaltet werden?“

5 Teilnehmer/innen an Thementisch 2.
© BIBB/BOP
  • Die Stärkenorientierung steht auch bei den Werkstatttagen im Mittelpunkt. Wichtig sind die persönlichen Stärken der Teilnehmenden. Die Angebote der Werkstatttage sollten individuell und binnendifferenziert gestaltet werden.
  • Auch bei leistungsheterogenen Gruppen: Teams bilden und Stärkenorientierung berücksichtigen.
  • Keinen „normierten Bewertungsmaßstab“ für leistungsstark ansetzen.
  • Unterschiede wertschätzen und als gewinnbringend thematisieren: „Liebe den Unterschied“.
  • Inklusionsklassen: Integrationsfachlehrer/innen einbinden.
  • Wenn möglich, multiprofessionelle Teams bilden, um die Individualität aller Teilnehmenden angemessen zu berücksichtigen.
  • Was bedeutet die Teamarbeit für das spätere Berufsleben bezüglich der vielfältigen Fähigkeiten der Teammitglieder? Bereits während der Werkstatttage üben, dass man sich Teams nicht aussuchen kann, aber: In der Personalentwicklung wird Wert auf die Zusammenstellung der Teams gelegt. Die individuellen Fähigkeiten der Teammitglieder müssen sich ergänzen.
  • „Diverse“ Teams für die Durchführung der Werkstatttage zusammenstellen: Vorabsprache mit allen Beteiligten (Lehrkräften, BerEb etc.) vs. Unvoreingenommenheit –  keine Vorab-Bewertung durch Lehrkräfte, damit Vorurteile vermieden werden.
  • Heterogenität meint auch, die Werkstatttage klassen- und schultypübergreifend gestalten zu können.
  • Pro und Contra: Geschlechtertrennung oder koedukative Werkstatttage? Die Werkstatttage bedürfnisgerecht gestalten und Diskriminierungen abbauen, Identitätsentwicklung sowie unterschiedliche Entwicklungsstadien berücksichtigen, Schutzräume schaffen. Diese Punkte wurden unter dem Motto Gender-Pädagogik in den Werkstatttagen aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Konsens war, dass die „koedukativen Werkstatttage“ reflexiv gestaltet werden müssen, damit Rollenklischees thematisiert werden können und geschlechtsspezifische Unterschiede Wertschätzung erfahren können.
  • Feedback nach den Werkstatttagen ist immens wichtig: Individuelle Stärken herausarbeiten und reflektieren.

Thementisch 3: „Welche zeitliche Abfolge der Berufsfelder haben Sie gewählt und aus welchem Grund?Worin sehen Sie die pädagogische Begründung?“

3 Teilnehmerinnen an Thementisch 3.
© BIBB/BOP

Ausrichtung und Organisation richten sich nach verschiedenen Aspekten: Hat der Träger einen oder mehrere Standorte?  Sind Kooperationspartner zu berücksichtigen?  Welche Berufsfelder können angeboten werden und welche Schularten sind beteiligt? Die meisten Werkstatttage laufen zusammenhängend im Zwei-Wochen-Block ab. Bezüglich der Unterteilung in Berufsfelder wurden verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten zusammengetragen. Diese stellen regionale und trägereigene Variationen der Werkstatttage dar, besitzen aber keine Allgemeingültigkeit und sind je nach Fall innerhalb der Richtlinienvorgaben zu prüfen.

  • Möglichkeit 1: 3 x 2 Tage in 3 verschiedenen Berufsfeldern, danach 5 Tage Vertiefung in einem Berufsfeld.
  • Möglichkeit 2: 5 Berufsfelder je Teilnehmer/in (z.T. bis 150 Teilnehmende pro Durchgang). Schüler können Berufsfeldkombinationen wählen nach den Angeboten im eigenen Haus und bei den Kooperationspartnern.
  • Möglichkeit 3: 10 Tage im Block, 4 Berufsfelder werden durchlaufen; Wahl zwischen insg. 10-20 Berufsfeldern je nach Standort aus den Blöcken: Wirtschaft, Soziales, Handwerk, Technik.
  • Möglichkeit 4: 4 Berufsfelder an 10 Tagen; kleine Gruppen, Wünsche können meist erfüllt werden, Anordnung spielt untergeordnete Rolle, der Bedarf entscheidet.
  • Möglichkeit 5: 8 Gewerke in 10 Tagen.
  • Die Wünsche der Schüler sind Grundlage für die Zuteilung zu den Berufsbereichen.
  • Es werden Werkstücke bzw. Bausätze oder Produkte gewählt, die möglichst viele Berufe beinhalten – zum Beispiel im Berufsbereich Bau: Berufsbilder Maurer und Bautechniker.
  • Es werden Werkstücke bzw. Bausätze oder Produkte gewählt, die mehrere Berufsbereiche abdecken, z.B. Radio: Von Beginn über die Entwicklung bis hin zum fertigen Produkt (Berufsbereiche Elektro, Holz, Maler/Lackierer).
  • Eine gewisse Koordination der Werkstattbereiche ist auch im Hinblick auf „weiche Faktoren“ sinnvoll (z.B. Starke helfen Schwachen).

Thementisch 4: „Welchen Beitrag können Sie als Träger zur nachhaltigen Wirkung des Berufsorientierungsprogramms leisten?“

Bildausschnitt von Thementisch 4.
© BIBB/BOP
  • Als Schlüssel für die Nachhaltigkeit im BOP nannten die Träger die Einbeziehung Schulen genannt. Wichtig ist eine kontinuierliche Ansprechperson. Das sind z.B. die Berufswahlkoordinator/innen an den Schulen, BO-Lehrkräfte oder sogenannte Praxisberater/innen (Sachsen).
  • Die zentrale Ansprechperson ist grundsätzlich ein Faktor, der Nachhaltigkeit fördert: „Es muss sich jemand kontinuierlich zuständig fühlen.“
  • Auch die Eltern müssen einbezogen werden, über Elternabende oder Teilnahme an Feedbackgesprächen.
  • Betont wurde die Bedeutung der Verknüpfung mit Anschlussmaßnahmen: D.h. Die Ergebnisse der Potenzialanalyse und Werkstatttage müssen auch an die Akteure weitergegeben werden, die die Jugendlichen im weiteren Berufsorientierungsprozess begleiten (Berufseinstiegsbegleitung, Berufsberatung, Ausbilder/innen in den Werkstatttagen).
  • Praxistage oder Hospitationen erhöhen die Akzeptanz und Unterstützungsbereitschaft bei Schule, Eltern und anderen Akteuren. Ausbilder/innen oder Berufseinstiegsbegleiter/innen können z.B. auch in die Potenzialanalyse eingebunden werden.
  • Letztendlich bleibt aber von zentraler Bedeutung: Die Jugendlichen stehen im Mittelpunkt. Sie gilt es zu begeistern und motivieren.


Thementisch 5: „Wahl der Berufsfelder und der Lebensweltbezug - Wie berücksichtigen Sie die Interessen der Jugendlichen bei der Auswahl und Gestaltung der Berufsfelder?“

Bildausschnitt von Thementisch 5.
© BIBB/BOP
  • Vorschlag eines Trägers zur Wahl der Berufsfelder: Am 2. Tag der Potenzialanalyse wird den Jugendlichen ein Handout der Berufsfelder mitgegeben, welches sie zu Hause lesen sollen. Dann benennen die Schüler/innen jeweils drei Wunsch-Berufsfelder. Am dritten Tag der Potenzialanalyse finden in Kleingruppen Gespräche mit der/dem Ausbilder/in statt, in denen Berufsfelder und Wünsche erörtert werden.
  • Oft findet die Berufsfeldwahl in den Schulen begleitet durch Lehrkräfte statt. (Dies ist nicht optimal; nach Möglichkeit sollte sich die Wahl der Berufsfelder stärker nach den Ergebnissen der Potenzialanalyse und den Wünschen der Jugendlichen richten.)
  • Die Ausgestaltung der Berufsfelder kann ein Widerspruch zu der Lebenswelt der Jugendlichen sein (Regeln, Vorsicht, Verantwortung etc.) Um dieser Herausforderung zu begegnen, ist z.B. Elternarbeit wichtig, um Unterstützung aus dem Elternhaus zu generieren. Auch haben manche Träger gute Erfahrung mit einem „sanften Heranführen“ an die berufliche Lebenswelt mit ihren Regeln gemacht.
  • Ideen zur Ausgestaltung: Berufsfeld Hotel/Gastronomie: Drei-Gang-Menü kreieren, Lehrkräfte, Eltern etc. dazu einladen. Geschenke herstellen lassen; im Hotel/Gastronomie-Bereich: Muffin-Backmischung im Glas schichten und zum Backen zuhause mitgeben; Vase aus Metall oder ähnlich ungewöhnlichen Werkstoffen.
  • Den Jugendlichen zuhören! Anregungen und Feedback der Jugendlichen annehmen und in die Gestaltung der Berufsfelder einfließen lassen. Empfehlung: Stimmen der Jugendlichen einfangen bei Besuch der Werkstätten! Zum Beispiel über das Berufsfeld Medien: „Schülerreporter“ umhergehen lassen, aus den Meinungen Optimierung der Werkstücke und Berufsfelder ziehen und eine Zeitung erstellen lassen.
  • Werkstücke: Wenig Theorie zu Beginn der Berufsfelder, lieber ein begeisterndes Werkstück! Das Werkstück ist als ein „Türöffner“ in das Berufsfeld zu sehen. Es sollten möglichst viele Produkte zum Mitnehmen und nach Wünschen und  Interessen der Jugendlichen gestaltet werden. In einigen Fällen wird die Auswahl der Werkstücke wird von den Ausbildenden getroffen, die aber (manchmal viel) älter als die Teilnehmenden sind -> Hier mehr auf den Lebensweltbezug achten!

Workshops zu den Themen Heterogenität, Nachhaltigkeit und Lebensweltbezug

Am Nachmittag konnten die Teilnehmenden einen aus drei Workshops mit den folgenden Themen auswählen:

  1. Werkstatttage: Heterogen und interkulturell (Workshop-Leiterin: Sylvia Esser)
  2. Ergebnisse aus Potenzialanalyse und Werkstatttagen nutzen und nachhaltig binden
  3. Wahl der Berufsfelder und praktischer Lebensweltbezug

Hier lesen Sie eine Kurzzusammenfassung der Inhalte. Auf überaus (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) stehen Ihnen die Präsentationen der Workshop-Leiterinnen sowie die in den Gruppen erarbeiteten Ergebnisse (abfotografierte Pinnwände) zum Download zur Verfügung.

Workshop 1: Werkstatttage: heterogen und interkulturell

Der Workshop 1 „Werkstatttage: heterogen und interkulturell“ wurde von  Sylvia Esser (BIBB) geleitet.  Grundlage waren die Ergebnisse aus dem 2. Evaluationsbericht, die das Thema Vielfalt und Heterogenität – Managing Diversity in den Werkstatttagen widerspiegeln. Der Workshop begann mit praxisorientierten Übungseinheiten aus dem Bereich interkultureller und diversitätssensibler Trainings, die ebenfalls für die Umsetzung mit jugendlichen Zielgruppen geeignet sind, auch, um die Thematik jugendgerecht gestalten zu können. Im Anschluss wurde theoretischer Input zu den Themen Migration in Deutschland, Diversity Management, Dimensionen von Heterogenität und zur damit verbundenen individuellen Kompetenzorientierung gegeben.

Leitend war die zentrale Frage, wie „Heterogene Werkstatttage“ im Berufsorientierungsprogramm methodisch und inhaltlich  umgesetzt werden können, um –  im Sinne der Chancengerechtigkeit – der Vielfalt der Jugendlichen hinsichtlich ihrer individuellen Ressourcen, Potenziale und Kompetenzen gerecht zu werden. Herausforderungen wurden in diesem Zusammenhang in den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten und auf methodisch-didaktischer Ebene für das beteiligte Personal gesehen. Einen besonderen Fokus nahm in diesem Kontext die Situation junger Flüchtlinge und deren Integration in die  Berufsorientierung ein – ein zentrales gesellschaftliches und bildungspolitisches Thema, das auch in den anschließenden Arbeitsgruppen konstruktiv und reflektiert bearbeitet wurde.

Ergebnispräsentation des Workshops auf braunem Papier.
© BIBB/BOP

Gemeinsam wurden in Kleingruppen Lösungsansätze erarbeitet, wobei die Ergebnisse aus dem Evaluationsbericht Berücksichtigung fanden. Grundlage für die Entwicklung von Lösungsansätzen war beispielsweise der Textauszug, dass im Unterricht „ …Differenzierungen auch ausgeschlossen (werden), um die Vergleichbarkeit der Beobachtungen nicht zu gefährden. Dies wiederum erschwert eine realistische Einschätzung von Kompetenzen und Potenzialen bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder bei Neuzuwanderern mit noch wenig entwickelten Deutschkenntnissen, denn es geht nicht darum, was sie weniger können als die anderen. Vielmehr sollen Kompetenzen und Potenziale erfasst werden, die sie trotz ihrer (aktuellen) Beeinträchtigungen haben.“

Die Workshop-Teilnehmenden konnten aus vier Arbeitsgruppenaufgaben wählen und entschieden sich für unten stehende Aufgaben. Allen Aufgaben war gemeinsam, dass die Pädagogischen Prinzipien Subjektorientierung, Lebensweltbezug und Kompetenzansatz Berücksichtigung finden sollten. In die Ergebnisse der Kleingruppen flossen unterschiedlichste Erfahrungswerte der Teilnehmenden ein. Tipps und Hinweise wurden auf kollegialer Ebene weitergegeben. Neben dem Erfahrungsaustausch wurde aber auch, im Sinne der Qualitätssicherung, weiterer Entwicklungsbedarf thematisiert, der auf inhaltliche und methodische Entwicklungen abzielte.

Aufgabe 1: Planen Sie bitte gemeinsam den Ablauf einer konkreten Werkstatttage-Einheit (am Beispiel eines  konkreten Berufsfeldes) für die oben beschriebene Gruppe, d.h.: Welche Lernformen, Angebote und Methoden können Sie anwenden, um die individuelle Verschiedenheit aller Teilnehmenden zu berücksichtigen?

Gemeinsam erarbeitete Gruppe 1 das Modell eines 4-Gewinnt-Spiel-Brettes in einem 3-D-Format  (Exemplarische Darstellung: Fachliche Handlungskompetenzen eines Tischlers innerhalb der Werkstatttage). Sie stellte dar, wie die unterschiedlichen Lösungsansätze einzelner Teilnehmender im Gruppenprozess eingebracht werden können. Die Aufgabenstellung erinnerte an das Format Projektarbeit, das die Möglichkeit beinhaltet, mit der Methode des kooperativen Lernens den berufsorientierenden Unterricht zu gestalten.

Insbesondere auf den Aspekt Teamarbeit wurde unter Berücksichtigung individueller Lerntempi ein hoher Stellenwert gelegt. Besonders interessant war die Idee der Gruppe, während der Erstellung des 3-D-Spielebretts mittels Visualisierung berufsfachspezifische Vokabeln zu vermitteln. Die Anleitung zur praktischen Gestaltung eines 3-D-Spielebrettes wurde von einigen Teilnehmenden aus der Gesamtgruppe direkt bei dem Ausbilder angefragt und die Idee als ein Good-Practice-Modell bewertet.

Aufgabe 2: Erstellen Sie exemplarisch ein individuelles Kompetenzprofil, das migrationsbedingte Besonderheiten und Ressourcen berücksichtigt. Zur Anregung: Wie können Sprachkompetenzen (auch Fremdsprachen-Kompetenzen) berücksichtigt werden? Wie können schlummernde Talente unter Berücksichtigung anderer Erfahrungswerte in den Herkunftsländern ermittelt und mit den Teilnehmenden reflektiert werden? Sind ggf. zusätzliche Beobachtungskriterien erforderlich?

Die Schwerpunkte wurden in der Gestaltung und methodischen Umsetzung des zu vermittelnden Unterrichtsstoffes gesehen, um individuelle Kompetenzprofile überhaupt erst erstellen zu können. Insbesondere dem Aspekt Praxisorientierung mit dem Verzicht auf frontale Anleitungen wurde ein hoher Stellenwert beigemessen. Als Lösungen wurden u.a. Visualisierungsmethoden und detaillierte Demonstrationen von Übungen benannt.

Die Ergebnisse der Gruppe zielten darauf ab, kultursensibel mit der Definition von Teilkompetenzen umzugehen. Es wurde der Frage nachgegangen, ob sogenannte Kulturstandards, die in Deutschland gelten, ohne weiteres als Beobachtungskriterien herangezogen werden können oder ob, aufgrund der Sozialisation(en) in anderen  Herkunftsländern, Ergebnisse falsch interpretiert werden können. Dies wurde anhand der Teilkompetenzen Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit erläutert.

Methoden zur Erstellung von Kompetenzprofilen, welche auf die Dokumentation individueller Stärken im Kontext von Vielfalt und Migration abzielen, wurden als Herausforderung bewertet. Die Überlegungen der Gruppe fußten auf dem Paradigmenwechsel von einer Defizitorientierung (z.B.: Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgrund der (noch) fehlenden Kenntnisse in der Sprache Deutsch als „defizitär“ wahrzunehmen) zu einer  kompetenzorientierten Lernkultur.

Aufgabe 3: Welche Herausforderungen stellen heterogene Zielgruppen an Sie und das Ausbildungspersonal? Welche Kenntnisse und Fähigkeiten (auch Wissen und Methoden) sollten Sie und das Ausbildungspersonal haben, um der Heterogenität der Gruppe gerecht zu werden? Welche Informationen bzw. Kenntnisse brauchen Sie und Ihr Personal für die Planung und Durchführung der Werkstatttage bezüglich heterogener Gruppen und kultureller Vielfalt?

Gruppe 3 legte einen Fokus auf die spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die das Ausbildungs-/ Lehrpersonal haben sollte, um mit heterogenen Gruppen zu arbeiten. Zudem wurde, aus der Diskussion heraus, Optimierungsbedarf benannt. Hierzu gehörte beispielsweise der Betreuungsschlüssel, der ermöglichen soll, dass interdisziplinär gearbeitet wird. Ein Beispiel war die Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team (inklusive Klassen).

Im Rahmen des Themas jugendliche Flüchtlinge in den Werkstatttagen wies die Gruppe anhand einiger Beispiele aus der Praxis und weiterführender Überlegungen darauf hin, dass, unabhängig  von der Frage, ob die Fachkräfte im BOP einen Erziehungsauftrag haben, eine interkulturell sensible Vorgehensweise notwendig ist. Hier wurde beispielsweise angemerkt, dass Kenntnisse aus dem Bereich der Traumaarbeit, aber auch kulturrelevante Kommunikationstechniken bekannt sein sollten.

Als weitere Kenntnisse und Fähigkeiten des Ausbildungspersonals wurden beispielsweise methodische Kenntnisse benannt (z.B. Visualisierung, Handlungsorientierung, kultursensible Beobachtungstechniken).  Bei den fachlichen Kenntnissen standen die Themenbereiche Interkulturalität, Kenntnisse über Integration(-slevel), Wissen über die Charakteristika unterschiedlicher Lerntypen etc. im Mittelpunkt.
Schauen Sie sich die Präsentation zum Workshop sowie die erarbeiteten Ergebnisse auf überaus an (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage).

Workshop 2: Ergebnisse aus Potenzialanalyse und Werkstatttagen nutzen und nachhaltig binden

In Workshop 2 „Ergebnisse aus Potenzialanalyse und Werkstatttagen nutzen und nachhaltig binden“ stellte Carolin Kunert (BIBB) zunächst Ergebnisse aus dem Sonderbericht der Evaluation aus der Befragung von Trägern 2014/2015 vor. Darüber hinaus thematisierte sie Wichtigkeit der  Einbettung des Berufsorientierungsprogramms in ein Gesamtkonzept für das Thema Nachhaltigkeit. Damit das Berufsorientierungsprogramm keine Momentaufnahme bleibt, sind vier Erfolgsfaktoren förderlich:

  1. Die Kontinuität der Bezugspersonen und Institutionen ist gewährleistet.
  2. Während der gesamten Berufsorientierungsphase sollte ein einheitliches Kompetenzmodell verwendet werden.
  3. Das Kompetenzprofil der Schülerinnen und Schüler wird regelmäßig aktualisiert werden.
  4. Es sollte eine systematische Kooperation mit der und Übergabe an die Agentur für Arbeit stattfinden.

Berufsbildungsstätten und Schulen fallen bei der Gestaltung einer nachhaltigen Berufsorientierung im Kontext des Berufsorientierungsprogramms verschiedene Rollen und Aufgaben zu:

Die Workshop-Teilnehmenden bearbeiteten im weiteren Verlauf zwei Themenkomplexe:

Übersicht der Themenkomplexe.
© BIBB/BOP

1. Transfer der Ergebnisse aus der Potenzialanalyse in die Werkstatttage

Hier wurde zunächst erörtert, dass die Ergebnisse der Potenzialanalyse für die Auswahl der Berufsfelder zwar eine Rolle spielen, aber eine untergeordnete: Die Jugendlichen sollen selbst Berufsfelder wählen können und sich nicht von den Ergebnissen der Potenzialanalyse diktieren lassen.
Im weiteren Verlauf ist es wichtig, dass die Ergebnisse der Potenzialanalyse dem Ausbilder, welcher die Werkstatttage durchführt, vor deren Beginn vorliegen. So kann er bestmöglich individuell auf die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler eingehen.

Nachhaltigkeit für die Jugendlichen wird bestmöglich erreicht, wenn die Ergebnisse aus beiden Bestandteilen des Berufsorientierungsprogramms – der Potenzialanalyse und der Werkstatttage – zusammengeführt werden. Es muss eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus beiden Teilen bestehen, so dass es Substanz für die Erstellung eines realistischen Kompetenzprofils gibt. Um eine solche Vergleichbarkeit zu erzielen, müssen die Kompetenzen, welche in Potenzialanalyse und Werkstatttage gezielt beobachtet werden, bereits in der Vorbereitung vereinheitlicht werden.

2. Gestaltung von Feedback bei den Werkstatttagen

Die Fragestellungen zu diesem Thema lauteten: Wann muss Feedback erfolgen? Welcher Kontext (Sozialform, Dauer, Personen etc.) ist sinnvoll? Was ist dabei im Sinne der Nachhaltigkeit zu beachten? Was ist wichtig für den inhaltlichen Ablauf?

Zunächst ergab sich eine längere Diskussion um die Frage: „Was verstehen wir unter Feedback?“ Zur Wann-Frage gab es sehr unterschiedliche Ansätze bei den Trägervertretern: eine kurze Rückmeldung nach jeder Übung, am Ende des Tages Feedback in Form eines Gruppengesprächs, Einzelfeedback am Ende eines jeden Berufsfelds, am Ende der Werkstatttage ein jeweils 15-minütiges Einzelfeedback durch die Ausbilder, und ein Feedback durch die Sozialpädagogen.

Als besonders relevant – auch im Hinblick auf die anfängliche Diskussion um die Definition von Feedback – wurde hervorgehoben, dass es klare Kriterien für Feedback geben muss. Hier kristallisierte sich, wie bei den Gesprächen zu Themenkomplex 1 „Transfer der Ergebnisse aus der Potenzialanalyse in die Werkstatttage“, heraus, wie grundlegend eine einheitliche Systematik ist, um die Berufsorientierung der  Schülerinnen und Schüler zu unterstützen.

Schauen Sie sich die Präsentation zum Workshop sowie die erarbeiteten Ergebnisse auf überaus (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) an.

Workshop 3: Wahl der Berufsfelder und praktischer Lebensweltbezug

Teilnehmer des Workshop 3.
© BIBB/BOP

In Workshop 3 „Wahl der Berufsfelder und praktischer Lebensweltbezug“ stellte Katrin Böhnke (BIBB) zunächst ausgewählte Ergebnisse aus dem zweiten Zwischenbericht der Evaluation des BOP vor, die  auf überaus sowie detailliert im 2. Zwischenbericht 2015 nachgelesen werden können. Insbesondere ging es um die Aspekte praktischer Bezug, Ausgestaltung der Werkstatttage, Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler, Lebensweltbezug, realistische Raumausstattung, Umgang mit den Eltern, Zuteilung der Berufsfelder und Gender.

Als Einstieg in die Gruppenarbeit stellte Frau Böhnke die folgende Definition von Lebensweltbezug vor: „Lebensweltbezug bedeutet, in pädagogischen Prozessen an den individuellen Voraussetzungen und Zielen der Lernenden anzusetzen und sein Umfeld in alles Denken über und Handeln mit ihm einzubeziehen. Die Lebenswelt besteht aus den Bereichen Arbeit, Schule, individuelle familiäre Situation, Freizeitgestaltung und soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen. Sie beeinflusst die Chancen, eigene Ziele, Wünsche und Bedürfnisse zu entwickeln und zu verwirklichen.“ (Quelle: BMBF, Berufliche Qualifizierung Jugendlicher mit besonderem Förderbedarf, S. 87)

Die Aufgaben für die Workshop-Teilnehmenden lauteten nun:

a) Erarbeiten Sie zehn goldene Regeln für die Vorbereitung der Werkstatttage: Wo kann der Lebensweltbezug mitgedacht werden?

Im Fokus dieser Fragestellung standen unter anderem das Personal, pädagogische Konzepte, Flyer-Texte, Berufsfeldbeschreibungen und -vorstellungen und Gespräche mit den Jugendlichen bei der Vorstellung des Berufsorientierungsprogramms sowie nach der Potenzialanalyse. Die Gruppe erarbeitete die folgenden 10 goldenen Regeln:

  1. Keine falschen Erwartungen wecken
  2. Lehrkräfte umfassend informieren
  3. Eltern informieren
  4. Schüler informieren, Mehrwert verdeutlichen
  5. Infos über passende Medien (QR-Code)
  6. Ausbilder briefen/Räume gestalten
  7. Regeln/Hausordnung bekanntmachen und einhalten
  8. Wertschätzung („Gut gemacht!“)
  9. Motivierte, fachkompetente Ausbilder mit Herz für Jugendliche
  10. Freude an der Arbeit

b) Erarbeiten Sie zehn goldene Regeln für die Wahl der Berufsfelder und Durchführung. Wo kann der Lebensweltbezug mitgedacht werden?

Im Fokus dieser Fragestellung standen unter anderem das Personal, die Ergebnissicherung der Potenzialanalyse, die Wahl der Berufsfelder, die Gestaltung der Werkstatttage allgemein, die Raumgestaltung, die Auswahl des Werkstücks, Gender sowie das Feedbackgespräch. Die Gruppe erarbeitete die folgenden 10 goldenen Regeln:

  1. Vorgespräch mit den Schülern/mit der Klasse: Information über Inhalt und Durchführung der Werkstatttage
  2. Kombination aus Wahl und Pflicht möglich
  3. Herstellen eines gebrauchsfähigen Werkstücks (z.B. Handyhalter, Schatzkiste, Räucherhaus)
  4. Verbindung von Theorie (Schule) und Praxis (z.B. Mathematik)
  5. Regeln (Arbeitsschutz, Verhalten, Verantwortung u.s.w.)
  6. Wertschätzung des Schülers
  7. Zeitgemäße, moderne, auf Traditionen begründete Ausstattung
  8. Fachliche und soziale Kompetenz des Ausbilders
  9. Entwicklungspotenziale aufzeigen (Alternativen, Entwicklungsmöglichkeiten bzgl. Weiterbildung/Qualifizierung)
  • Selbsteinschätzung in Bezug auf Berufswunsch
  • Fremdeinschätzung in Bezug auf Berufswunsch

    10. Feedback der Schüler

  • Feedbackbögen
  • Gespräche

Insgesamt: Anregungen aufnehmen und weiterentwickeln, z.B. neue Berufsfelder aufnehmen, andere Werkstücke einführen, ggf. Wechsel des Personals.

Schauen Sie sich die Präsentation zum Workshop sowie die erarbeiteten Ergebnisse auf überaus an (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage).

LINKS

Zweiter Zwischenbericht zur Evaluation des Berufsorientierungsprogramms

Fotografin: Julia Kreuzer