Die Rolle der Schulen im Berufsorientierungsprogramm

Schulleitungen und Lehrkräfte sind zentrale Akteure im Berufsorientierungsprogramm. Die Bausteine Potenzialanalyse und Werkstatttage/BO-Tage werden in das schulische Berufsorientierungskonzept eingebettet.

Eine Lehrerin arbeitet mit 2 Schülern an einer Aufgabe.
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Die Schule ist der zentrale Ort für die frühe Berufsorientierung junger Menschen. Zusammen mit den Eltern unterstützt sie die Jugendlichen in dieser sensiblen Lebensphase dabei, ihren beruflichen Orientierungsprozess aufzunehmen und dann auch am Ball zu bleiben. Doch nicht nur das: Mit ihrem Berufsorientierungskonzept gestaltet die Schule den beruflichen Findungsprozess ihrer Schützlinge maßgeblich.

Mit den Bausteinen Potenzialanalyse und Werkstatttage/BO-Tage wird das Berufsorientierungsprogramm (BOP) in das jeweilige Berufsorientierungskonzept der Schulen eingebettet. Die Berufsbildungsstätten stellen mit ihren Räumlichkeiten die nötige Infrastruktur und eine neue Lernumgebung sowie das pädagogisch geschulte Fachpersonal bereit.

Wie die Schulen vom Programm profitieren

Ein Schüler zeigt seiner Lehrerin das Werkstück welches er während der Werkstatttage angefertigt hat. Neben ihm steht ein Ausbilder.
© BIBB/BOP, Fotografin: ANNEGRET HULTSCH Photography

Das Besondere am Berufsorientierungsprogramm ist die realitätsnahe Praxiserfahrung in einer neuen Lernumgebung. Nimmt eine Schule am Programm teil, erhöht sie damit die Qualität und Bandbreite ihres berufsorientierenden Angebotes.

Lehrkräfte erleben ihre Schülerinnen und Schüler von einer anderen Seite und entdecken neue Stärken. Mancher schulmüde „Störenfried“ entwickelt bei der praktischen Arbeit Begeisterung und gewinnt die Anerkennung seiner Gruppe. Dies eröffnet neue wertvolle Motivationsquellen für den Unterricht.

Für Lehrerinnen und Lehrer bringt das BOP neue Einblicke in das breite Spektrum beruflicher Laufbahnen. Es bietet Anregungen zur Gestaltung eines Unterrichts, der Bezüge zum realen Berufsleben zieht.

Am Berufsorientierungsprogramm teilnehmen

Bundesweit nehmen über 3.000 Schulen am Berufsorientierungsprogramm teil. Dies geschieht immer in Form einer Kooperation: Die Projektträger schließen Kooperationsvereinbarungen mit den regionalen Schulen, welche dann ihre siebten bzw. achten Klassen zur Potenzialanalyse und in die Werkstatttage/BO-Tage schicken.

Ein Schüler zeigt seinem Ausbilder ein Vogelhäuschen, das er während der Werkstatttage angefertigt hat.
Ein Schüler zeigt seinem Ausbilder ein Vogelhäuschen, das er während der Werkstatttage angefertigt hat. © BIBB/BOP, Fotograf: Robert Funke

Eine solche Kooperationsvereinbarung umfasst auch eine Zeitplanung und die Angabe verbindlicher Schülerzahlen. Möchte eine Schule am BOP teilnehmen, kann sie regionale Träger ansprechen und eine Antragstellung bzw. Kooperation vorschlagen. Teilnehmen können alle allgemeinbildenden Schulen.

Zur Antragsstellung, die in der Regel vom 01. Januar bis zum 01. März eines Jahres erfolgt (in 2023 abweichend vom 01. April 2023 bis zum 31.Mai 2023), benötigen die jeweiligen Träger eine Absichtserklärung der beteiligten Schulen mit der voraussichtlichen Schülerzahl. Die antragstellenden Bildungsträger werden im Jahr 2023 voraussichtlich bis Ende August informiert, ob ihr Antrag ausgewählt wurde oder nicht. Im Anschluss daran können sie mit den Schulen die Zeitplanung abstimmen und eine entsprechende Kooperationsvereinbarung abschließen.

Der Durchführungszeitraum der Berufsorientierungsmaßnahme für einen Jahrgang beträgt 20 Monate und liegt immer zwischen dem 01. Januar eines Jahres und dem 31. August des Folgejahres.

Das Berufsorientierungsprogramm in den Bundesländern

Potenzialanalysen und Werkstatttage/BO-Tage werden in unterschiedlicher Ausprägung in fast ganz Deutschland umgesetzt. Doch Dauer, Bezeichnung und Ausgestaltung dieser zwei Instrumente können – je nach getroffener Vereinbarung zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Initiative Bildungsketten – variieren.

Entscheidend ist der Grundgedanke des Programms, der sich als roter Faden durch alle Umsetzungsformen in den Ländern zieht: Die Jugendlichen erkunden spielerisch ihre persönlichen Stärken und probieren verschiedene Berufsfelder in geschütztem Raum und begleitet von erfahrenen Ausbilderinnen und Ausbildern selbst aus.

Hier erhalten Sie Informationen zur landesspezifischen Ausgestaltung des Programms.

Rolle und Aufgaben der Schulen

Phase 1: Anbahnung

Der Vorlauf für den Auftakt einer Kooperation zwischen Berufsbildungsstätte und Schule liegt bei ca. einem bis eineinhalb Jahren vor tatsächlichem Beginn der Maßnahme. Träger und Schule prüfen, wie sich das Berufsorientierungsprogramm sinnvoll in das jeweilige schulische Berufsorientierungskonzept einbetten lässt. In Informationsgesprächen zwischen Träger und Schule wird z. B. thematisiert, wie Erfahrungen und Ergebnisse des BOP im (berufsorientierenden) Unterricht aufgegriffen werden können und wie sich andere Berufsorientierungsmaßnahmen daran anschließen.

In einigen Fällen muss die Schule zwischen BOP-Angeboten verschiedener Berufsbildungsstätten wählen. Auf der Grundlage von zurückliegenden Erfahrungen mit der Umsetzung des BOP können sich auch Veränderungen der bisherigen Kooperationen ergeben. Somit ist die Entscheidung über das passende BOP-Konzept die primäre Aufgabe der Schule.

Phase 2: Vorbereitung

Sobald den Berufsbildungsstätten die Förderzusage vorliegt, kann die konkrete Vorbereitung beginnen. Träger und Schule stimmen sich zum pädagogischen Konzept ab; außerdem werden Ansprechpartner und Kommunikationswege, eine Zeitplanung und regelmäßige Abstimmungstermine festgelegt.

Dann informiert der Träger alle Beteiligten (Lehrkräfte, Berufsorientierungs-Verantwortliche, Schülerinnen und Schüler, Eltern) durch Vorbereitungsgespräche, Informationsmaterialien, im Unterricht oder bei Elternabenden über das Berufsorientierungsprogramm.

4 Schüler bei einer Übung der Potenzialanalyse. Wohnungseinrichtung mit Holzmöbeln auf einer Platte.
© BIBB/BOP, Fotografin: ANNEGRET HULTSCH Photography

Die Schulen stellen während der Vorbereitung einerseits den organisatorischen Rahmen zur Verfügung. So laden sie die Eltern zu Informationsveranstaltungen in ihren Räumlichkeiten ein, geben Informationsmaterialien weiter oder kümmern sich um Einverständniserklärungen. Zum anderen können nur sie die Voraussetzungen für eine gute Akzeptanz des BOP schaffen – bei Lehrkräften, Schülern und Eltern.

Darüber hinaus sind die Schulen Schnittstelle für weitere Akteure im Kontext der schulischen Berufsorientierung wie beispielsweise Schulsozialarbeit, Agenturen für Arbeit, Berufseinstiegsbegleitung oder gegebenenfalls kooperierende Betriebe.

Die Lehrkräfte stimmen ihre Klassen in Gesprächen auf die Potenzialanalyse und die Werkstatttage/BO-Tage ein. Sie ermutigen die Jugendlichen, neue Berufsfelder auszuprobieren – und nicht etwa einfach nur das gleiche zu wählen wie der Sitznachbar. Denn je bewusster ein junger Mensch in das Programm hineingeht, desto intensiver kann er davon profitieren.

Wenn es bei Klassen oder einzelnen Schülerinnen oder Schülern etwas zu beachten gibt (z.B. Allergien, persönliche Einschränkungen, Organisatorisches), informieren die Lehrkräfte das Personal der Bildungsträger hierüber.

Phase 3: Umsetzung

Die Lehrkräfte sind bei der Umsetzung des Berufsorientierungsprogramms anwesend. Sie sind Ansprechpartner sowohl für Ausbilderinnen und Ausbilder als auch für Schülerinnen und Schüler und beobachten das Geschehen oder nehmen selbst an den praktischen Übungen teil. In ihrer Funktion als begleitendes Aufsichtspersonal vor Ort greifen sie ein, wenn (z. B. disziplinarische) Probleme während Potenzialanalyse oder Werkstatttagen/BO-Tagen auftreten.

Die Anwesenheit der Lehrkräfte wird von den Jugendlichen als persönliche Wertschätzung empfunden und gewürdigt. Die Lehrkräfte erleben die Jugendlichen in Aktion und sammeln Eindrücke. Dabei lassen sie sich auf einen bewussten Perspektiv- und Rollenwechsel ein: Im Mittelpunkt stehen Kompetenzen; die Schülerinnen und Schüler werden nicht bewertet, sondern unterstützt und gefördert.

Da sich die Lernumgebung vom üblichen Schulalltag unterscheidet, entdecken Lehrkräfte häufig neue Interessenfelder und Talente bei ihren Schülerinnen und Schülern und erweitern ihr eigenes Wissen über Ausbildungsberufe und Arbeitswelt. Sie registrieren die Lernerfolge der Jugendlichen und bestärken sie; außerdem geben sie die gewonnenen Erkenntnisse an das Lehrerkollegium weiter.

Eine aktive Beteiligung von Lehrkräften an den Werkstatttagen/BO-Tagen kann je nach Schulform und einzelner Schule sinnvoll sein und zu einer nachhaltigen Wirkung des Programms beitragen. Die Teilhabe ermöglicht es Lehrerinnen und Lehrern, Berufe selbst praktisch zu erleben, die Erfahrungen der Jugendlichen zu verstehen und das gemeinsam Erlebte in die weitere Begleitung einzubeziehen.

Die Lehrkräfte behalten außerdem im Blick, wie das BOP bestmöglich in das schulische Berufsorientierungskonzept und den weiteren Unterricht einbezogen werden kann.

Phase 4: Nachbereitung

Die Schulen übernehmen in der Phase der Nachbereitung eine besonders wichtige Rolle, denn sie haben den kontinuierlichen Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern und zu deren Eltern.

Im Anschluss an die Potenzialanalyse und die Werkstatttage/BO-Tage führen die Berufsbildungsstätten individuelle Reflexionsgespräche mit den Schülerinnen und Schülern. Die Schulen bieten den organisatorischen Rahmen für die Gespräche. Das Einverständnis der Jugendlichen und der Eltern vorausgesetzt, nehmen auch Lehrkräfte an den Gesprächen teil.

Eine Schülerin mit ihrer Mutter beim Feedbackgespräch bei der Leherin.
© BIBB/BOP, Fotografin: ANNEGRET HULTSCH Photography

Die Lehrkräfte reflektieren das Erlebte mit ihren Klassen und unterstützen ihre Schülerinnen und Schüler dabei, die gewonnene Erfahrung für die eigene Weiterentwicklung zu nutzen und Ideen für einen möglichen beruflichen Weg weiterzudenken. Häufig entdecken Lehrkräfte im Berufsorientierungsprogramm persönliche Potenziale und praktische Begabungen bei Schülern. Wenn es gelingt, diese persönlichen Stärken im Unterricht aufzugreifen, kann das ein großer Motivationsschub für die Jugendlichen sein und sich sogar in den schulischen Leistungen niederschlagen.

Ganz konkret können Lehrkräfte ihre Schützlinge darin bestärken und unterstützen, berufliche Neigungen, die diese im BOP entdeckt haben, weiterzuverfolgen – zum Beispiel bei der Wahl eines passenden Betriebspraktikums.

Die Schulen sind zudem Schnittstelle für weitere Maßnahmen der schulischen Berufsorientierung. Auch hier sollten Impulse aus dem BOP weitergegeben und genutzt werden. So können beispielsweise Kontakte zu möglichen Praktikumsbetrieben vermittelt werden. Wenn Schulen ein verbindliches Dokumentationsinstrument wie z. B. den Berufswahlpass nutzen, werden die Ergebnisse des BOP dort aufgenommen.

Nach der Philosophie der Initiative Bildungsketten sollen die Phasen von der Schule in die Berufsausbildung wie die Glieder einer Kette ineinandergreifen. Die Schulen sind ein wesentlicher Akteur der Initiative Bildungsketten – eine hohe und verbindliche Bereitschaft zur Mitwirkung der Schulen zum BOP ist eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Übergang von der Schule in den Beruf.

Leitfaden zur Kooperation von Berufsbildungsstätten und Schulen im Berufsorientierungsprogramm

Der Leitfaden bietet praxisnahe Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Trägern und Schulen. Er vertieft die Informationen dieser Website zu den vier Phasen Anbahnung, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung.

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Materialsammlung zur Kooperation von Berufsbildungsstätten und Schulen im Berufsorientierungsprogramm

Besonders interessant für Lehrerinnen und Lehrer sind unter anderem die Checkliste für Lehrkräfte (S. 13) und das Konzept zur Nutzung der BOP-Ergebnisse im Schulunterricht (S. 27).

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